Virtuelles Wasser – Kakaopedia

latentes oder auch Virtuelles Wasser ist die Menge Wasser, die für die Herstellung eines Produkts anfällt. Die WVD Warenvergleich Deutschland GmbH gab 2018 eine Pressemitteilung heraus, in der 28 Lebensmittel aufgelistet wurden, bei denen der Wasserverbrauch untersucht wurde. Seit dem kursiert im Internet die Sensationsmeldung, dass die Kakaobohne mit 27.000 Liter das Lebensmittel mit dem höchsten Wasserverbrauch ist.
In der Pressemitteilung wird jedoch nicht zwischen den verschiedenen Anbaumethoden differenziert.

anbau in Monokultur

Vor allem Konsumkakao wird unter den denkbar schlechtesten Bedingungen angebaut. Bei der intensiven Anbaumethode werden riesige Flächen gerodet, die Kakaobäume stehen in kurzen Abständen von etwa 3,5 Metern in voller Sonne. Unter solchenBedingungen müssen die Kakaobäume intensiv bewässert und gedüngt werden. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist dabei unerlässlich.

Anbau in Mischkultur

Die Kakaobäume werden Unter so genannten Kakaomüttern, meist mit eigenem Nutzwert, angebaut. Kakaomütter sind Bäume, die dem Kakaobaum den nötigen Schatten spenden, damit er optimal gedeiht. Dazu gehören beispielsweise Mangobäume, Bananengewächse, Kokos- und Ölpalmen. Eine Bewässerung ist in der Regel nicht nötig und ein biologischer Anbau ist möglich.

Anbau im Agroforstsystem

Bei dieser Methode werden Schneisen in natürlich gewachsenen Wald geschlagen und die Kakaobäume unter Schattenbäumen angepflanzt. Eine Bewässerung, Düngung und Schädlingsbekämpfung ist nicht nötig.

Tatsächlicher Wasserverbrauch

Betrachtet man die beiden letzteren Anbaumethoden, wird klar, dass keine zusätzliche Bewässerung notwendig ist. Der natürliche Niederschlag ist völlig ausreichend. Deshalb muss zwischen dem tatsächlichen und dem virtuellen Wasserverbrauch unterschieden werden – wobei das Konzept des virtuellen Wassers umstritten ist (siehe dazu weiter unten "Kritik").

Geometrie des WassermolekülsBildquelle: derivative work: Sgbeer | Watermolecule | CC BY-SA 2.0 DE

Virtuelles Wasser

Der Begriff "virtuelles Wasser" wurde um 1995 vom englischen Geografen John Anthony Allan geprägt. Für seine Leistung erhielt er 2008 den Stockholmer Wasserpreis des Stockholm International Water Institute.

Unterteilung Wasserverbrauch

  • 🍅 grünes virtuelles Wasser: aus Niederschlag und natürlicher Bodenfeuchte
  • 🍅 blaues virtuelles Wasser: für künstliche Bewässerung
  • 🍅 graues virtuelles Wasser: wird während der Nutzung beeinträchtigt (Düngemittel, Pestizide, Industrieabfälle) und kann nur bedingt wiederverwendet werden

Nach dieser Bilanzierung werden beispielsweise in Deutschland pro Einwohner und Tag rund 4.000–5.000 Liter Wasser genutzt, bei der Herstellung eines Mikrochips beispielsweise 32 Liter, bei der Herstellung eines Kilogramms Rindfleisch 15.000 Liter. Mitberücksichtigt wird dabei auch der auf den ersten Blick verdeckte Wasserverbrauch: bei der Erzeugung von Rindfleisch ist nicht nur die Verwendung von Trinkwasser für die Tiere zu berücksichtigen, sondern auch der natürliche Niederschlag und die Bewässerung für Felder und Wiesen, welche das Futter für die Tiere liefern.

Bilanzierung des virtuellen Wassers

Die Untersuchungen zielen auf eine künftig sparsamere Verwendung von Wasser in Regionen mit Wassermangel. Insbesondere soll transparent gemacht werden, dass wasserintensive und exportorientierte Agrarnutzung in Trockenregionen der Erde ökologisch unsinnig und wirtschaftlich vergleichsweise unrentabel ist. Wasserarme Länder können durch gezielten Import von Gütern, deren Herstellung viel Wasser benötigt, ihre eigenen Wasserressourcen schonen.

Die Berechnung des virtuellen Wassers ermöglicht auch, den internationalen Transfer von in Produkten gebundenem Wasser zu untersuchen. Deutschland exportiert virtuelles Wasser, das in der Industrieproduktion genutzt wird und importiert virtuelles Wasser vor allem in Agrarprodukten (zu denen auch die besonders wasserzehrende Baumwolle gehört). Im internationalen Vergleich gehört Deutschland zu den zehn größten Importeuren von virtuellem Wasser.

Die Schweiz importiert mehr virtuelles Wasser als sie exportiert. Unter dem Strich jeden Tag die Menge des Thunersees mit einem Volumen von 6,5 km³

Mit der Bilanzierung virtuellen Wassers beschäftigt sich vor allem das UNESCO-IHE (Institute for Water Education der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur). Das Institut veröffentlichte unter anderem diese Verbrauchsmengen virtuellen Wassers:

Menge Beispiel Wasserbedarf in Litern
1 Rose 5
1 Tasse Tee 35
0,25 L Bier 75
1 Tasse Kaffee 140
1 L Milch 1000
1 kg Papier 750)
500 Bl. Papier DIN-A4 5000, bzw. 1 Blatt bis 10 l
ca. 2 g Mikrochip 32
1 kg Mais 900
1 kg Weizen 1100
1 kg Sojabohnen 1800
1 Baumwoll-T-Shirt 2000
1 kg Kokosnüsse 2500
1 kg Hühnereier 4500
1 kg Reis 3000–5000
1 Jeans 6000
1 kg Rindfleisch 15.500
1 kg Mandeln 13.000

Einfluss von Produktions- und Umweltfaktoren am Beispiel Rindfleisch

Laut UNESCO-IHE (Mekonnen/Hoekstra, 2010) ist die Menge des benötigten virtuellen Wassers insbesondere bei Fleisch stark abhängig von den Produktions- und Umweltfaktoren.

So werden für die Erzeugung von 1 kg Rindfleisch im weltweiten Mittel 15.415 Liter virtuelles Wasser benötigt. Davon sind 14.414 Liter (93,5 %) Regenwasser ("grünes Wasser"), das auf die Futterflächen fällt. Der Rest unterteilt sich in Wasser für Bewässerung ("blaues Wasser") und sonstiges Wasser z. B. für Tränken, Reinigung und Verarbeitungsprozess ("graues Wasser").

Dabei variiert die Menge virtuellen Wassers von 10.244 Litern (davon 8.849 Liter "grünes Wasser") bei Intensivhaltung bis zu 21.829 Litern (davon 21.121 Liter "grünes Wasser") bei extensiver Weidehaltung.

Im weltweiten Vergleich wird die geringste Menge virtuellen Wassers für Rindfleisch aus Intensivhaltung in den USA benötigt, mit 3.856 Litern (davon 2.949 Liter "grünes Wasser"), die höchste Menge für Rindfleisch aus Weidehaltung in Äthiopien mit 100.967 Litern (davon 77.013 Liter "grünes Wasser").

Für in Deutschland erzeugtes Rindfleisch aus Intensivhaltung werden pro Kilogramm 5.991 Liter (davon 5.014 Liter "grünes Wasser") benötigt, für Rindfleisch aus extensiver Weidehaltung 12.229 Liter (davon 11.083 Liter "grünes Wasser").

Water Footprint

Der englische Begriff Water Footprint, übersetzbar mit Fußabdruck des Wasserverbrauchs, umfasst die Gesamtmenge an Wasser, die für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen benötigt wird. Dabei wird zwischen blauem, grünem und grauem Wasser unterschieden: Der blaue Fußabdruck bezieht sich auf das Grund- und Oberflächenwasser, das bei der Produktion direkt verdunstet. Der grüne Fußabdruck beschreibt die Wassermenge, die durch die Vegetation selbst verdunstet und ist somit vor allem in der Landwirtschaft von Bedeutung. Der graue Fußabdruck umfasst die Wassermengen, die durch Produktionsprozesse verunreinigt werden. Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich das Water Footprint Network, das auch mit der UNO zusammenarbeitet.

Der Water Footprint eines Landes bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung eines Landes. Man spricht auch von der Wasserspur oder dem Wasserverbrauchsindex eines Landes. Beispiele für water footprints verschiedener Staaten in m³ pro Kopf und Jahr:

Der Wasserverbrauchsindex Chinas beträgt etwa 700 m³; davon werden ca. 7 % über Güter importiert.
In Deutschland beträgt dieser Index 1.545 m³. Die Ursachen liegen im hohen Konsum von Industrieprodukten und Fleisch: deren versteckter Wasserimport übersteigt den Export virtuellen Wassers deutlich. 106 Teilen eingeführten Wassers stehen 70 Teile ausgeführter Wassermenge gegenüber.
82 Prozent des Wasser-Fußabdrucks der Schweiz entsteht außerhalb des Landes und oft in Regionen, in denen die Wasserressourcen knapper sind. Der Wasserverbrauchsindex beträgt rund 1.500 m³.
Der Wasser-Fußabdruck Japans beträgt 1.150 m³; davon werden ca. 65 % bereits außerhalb des Landes verwendet.
Der Wasserverbrauchsindex der USA beläuft sich auf 2.483 m³.
Weltweit beträgt der Durchschnitt des Index 1.385 m³ pro Person und Jahr.

Kritik

Wichtige Kritikpunkte am Konzept des "virtuellen Wassers" sind:
Oft wird nicht danach unterschieden, ob das Wasser natürlich als Regen fällt, oder ob es künstlich aus Seen, Flüssen oder Grundwasserfassungen gefördert wird. Wird Regenwasser unmittelbar genutzt, führt dies in der Regel nicht zu Verschiebungen im Wasserhaushalt der Landschaft. Wird jedoch für die Landwirtschaft Wasser gefördert, kann dies zu einer Grundwasserabsenkung führen, die wiederum Folgeschäden verursacht. Zum Beispiel entfallen auf ein Kilogramm Kakaobohnen zwar rund 27.000 Liter Wasser, aber ein sehr großer Teil davon ist Regen, der ohnehin fällt und für die Bewässerung der Kakaobäume ausreicht, sofern die Bäume nicht in Monokultur angebaut werden. Mandelbäume werden hingegen zur Ertragssteigerung oft künstlich bewässert, obwohl sie eigentlich an trockenes Klima gewöhnt sind. Dies führt zu einem virtuellen Wasserverbrauch von rund 13.000 Liter pro Kilogramm Mandeln.
Das Konzept führt leicht zur Annahme, dass Wasser, das an einem Ort eingespart wird, am selben Ort für weniger Wasser-intensive Nutzungen frei wird. Dies ist aber aus praktischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen oft nicht machbar. Zum Beispiel eignet sich der Boden eines regenarmen, kargen Gebietes nicht für den Ackerbau, aber die weniger effiziente Ziegenhaltung ist darauf möglich, und stellt für den Bauern somit die bestmögliche Bodennutzung dar.
Das Konzept beachtet nicht, ob die Wassernutzung den örtlichen Ökosystemen tatsächlich schadet. So können in Monsun-Gebieten riesige Mengen an Wasser auf die Reisfelder geleitet werden, ohne dass dieses anderswo fehlt. Ebenso müssen die Mengen an Regenwasser, die zum Heranwachsen von Holz notwendig sind, auch nicht berücksichtigt werden.

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