Ostfriesland – Reisebericht

Bohntjesopp

Claudia und ich waren mit einer kleinen Reisegruppe eine Woche in Ostfriesland. Unser Domizil war das Schlosshotel in der Stadt Aurich, von der man sagt: „In Aurich ist es schaurig, in Leer noch viel mehr, doch will Gott dich strafen, schickt er dich nach Wilhelmshaven!“ Es war jedoch nirgendwo schaurig, ganz im gegenteil, und die kulinarischen Köstlichkeiten Ostfrieslands sind zum Niederknien. Das erste Abendessen war gleich ein Volltreffer. Wir hatten Halbpension und es standen täglich drei Menüs zur Auswahl, mit Fleisch, Fisch oder Vegetarisch. Ich entschied mich für den Fischteller mit den typischen Nordsee Spezialitäten. Darunter war auch der Knurrhahn, ein Barschverwandter Stachelflosser, den ich das erste Mal gegessen habe, aber bestimmt nicht zum letzten Mal. Der Fisch hat festes Fleisch, schmeckt leicht süßlich und sehr aromatisch. Seinen Namen verdankt der Knurrhahn seiner hahnenkammähnlichen Flosse am Kopf und seinen knurrenden Geräuschen, die er mit seiner Schwimmblase erzeugt.
Nach dem Essen wollten wir auf unsere bevorstehende Urlaubswoche mit etwas typisch Regionalem Anstoßen. Der Kellner empfahl uns einen Friesengeist.

Friesengeist-FlascheBildquelle Waldemar Behn GmbH: Original Friesengeist Flasche

Der Friesengeist ist ein hochprozentiger, nach Pfefferminz schmeckender, mit Frucht- und Kräuterauszügen versetzter Kornbrand, mit 56 Volumenprozent Alkoholanteil. Bei diesem Alkoholanteil hatte ich die schlimmsten Befürchtungen. Ich stellte mich schon mal vorsorglich auf ein scharfes Brennen in der Kehle ein. Der Friesengeist wird brennend serviert und verliert dadurch etwas von seinem Alkohol Gehalt. Ich war vom recht milden, erfrischenden Pfefferminzgeschmack überrascht, das hätte ich nicht erwartet. Der Likör hat, dass soll nicht unerwähnt bleiben, bei jeder Bestellung eine immer wiederkehrende dichterische Nebenwirkung, die der Kellner oder die Kellnerin zu Gehör bringt:
„Wie Irrlicht im Moor, flackert’s empor, lösch aus, trink aus, genieße leise auf echte Friesenweise, den Friesen zur Ehr vom Friesengeist mehr.“
Auf YouTube gibt es nicht nur den Trinkspruch, leidenschaftlich vorgetragen, sondern auch die Geschichte zur Entstehung des Friesengeistes.

In Norddeutschland sagt man zur Begrüßung „Moin, Moin“, egal wie spät es ist. Das hat nichts mit dem Morgen zu tun, sondern mit den Holländern. Der Ausdruck Mooi, das so viel wie „schön“ bedeutet, kommt aus dem Niederländischen. Also „Schön Schön“ – damit wünscht man sich einen schönen tag. So lauteten die Ausführungen unserer Stadtführerin in Aurich.

Den Holländern verdanken die Ostfriesen nicht nur den tagesunabhängigen Gruß, sondern auch den Matjes, den es überall in Norddeutschland zu geniessen gibt. Matjes sind Heringe, die durch fischeigene Enzyme in Salzlake einige Tage fermentiert werden. In Ostfriesland wird der Matjes als Hauptmahlzeit mit Pellkartoffeln und grünen Bohnen mit Speckstippe und Zwiebeln serviert. Als Zwischenmahlzeit, die ich bei Matjes bevorzuge, bekommt man die Fischspezialität an (fast) jeder Ecke beim Fischimbissstand. Dort wird der Matjes zwischen zwei Brötchenhälften mit Zwiebeln gereicht. Leider waren wir im Juli in Ostfriesland. Denn im Mai wird in Emden das Matjesfest gefeiert.

In Emden waren wir trotzdem. Eine sehenswerte Stadt und als großer Otto Waalkes Fan stand ich natürlich auch voller Ehrfurcht vor seinem Geburtshaus. Nach einer Hafenrundfahrt und Stadtführung war es dann so weit, nach so viel Kultur knurrte der Magen. Für Grünkohl mit Pinkel war die Jahreszeit zu früh, denn dass ist eher ein Gericht für den Herbst und den Winter. Ich fand es schade, denn Grünkohl ist in Wien sehr schwer zu beschaffen. Mit Pinkel ist eine grüzwurst gemeint, die nichts mit dem „feinen Pinkel“ zu tun hat. Pinkel bezeichnet in Norddeutschland eine zusammengedrängte Masse oder einen kurzen, dicken Gegenstand.

Es muss ja nicht immer deftig sein. In Hafennähe setzten wir uns in den garten eines Caféhauses und ich bestellte mir ein Stück Ostfriesentorte. Geizig sind die Ostfriesen nicht, es war ein prächtiges Stück, dass sich sehen lassen konnte. Ich befürchtete allerdings, dass mir die Torte zu Kopf steigen würde. Denn die erst 1982 von Tini Peters hergestellte ostfriesische Spezialität besteht aus Schichten von Biskuitteig und Schlagsahne, der eine Menge in Brandwein eingelegte Rosinen beigemengt werden.

Krabben sind in Emden natürlich auch als Spezialität zu bekommen und ich habe seit vielen Jahren auch mal wieder eine probiert. Die sind kulinarisch nicht so mein Fall, da ich finde, dass sie einen sehr starken, für mich nicht definierbaren Geschmack haben, der mir nicht zusagt. Am nächsten Tag fuhren wir nach Greetsiel zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, dort wollte ich mir die tiere lieber lebend ansehen – meine natürlich anfassen. Unsere Gruppe war nicht allein, denn ins Watt zu gehen, das kann böse ausgehen, wenn man sich nicht auskennt. Unsere Wattführerin Meike war großartig, sie hat uns Blinden alles in die Hand gedrückt, was da im Watt so lebt. Wir lauschten dem Wattknistern, das von winzigen Schlickkrebsen erzeugt wird, die dort millionenfach leben und die nur 6 bis 15 Millimeter groß sind. Das Wattknistern hört sich ähnlich an, wie wenn sich ein Aspirin in Wasser auflöst. Wattwürmer und größere zehnfüßige Krebse und Muscheln, wie beispielsweise Pfeffermuscheln gab es zur näheren Betrachtung. Übrigens, ich hatte nicht gewußt, dass es Muscheln gibt, die einen Fuß haben und Schnorchel zum Luftholen einsetzen. Was aber war mit den Krabben? Nichts! Die, so Meike, sollte man nur sehenden Auges betrachten. Denn die sind extrem Geruchsintensiv, da hilft auch keine Seife, um den Geruch von den Händen zu schrubben.
Man mag es kaum glauben, aber zu essen gab es dann auch noch was im Watt. Wir probierten Algen. Ein kulinarischer Genuß war es jedoch nicht. Deshalb habe ich die Algensorte auch vergessen. Das Tast- und Mundgefühl war eher so Richtung Frischhaltefolie und geschmeckt hat sie salzig und sonst nach nichts. Aber wir bekamen dann noch einen richtig guten Tipp von unserer Wattführerin. Kurze Zeit später aß ich in Greetsiel Kibbeling. Diese köstliche Spezialität stammt ebenfalls von den Holländern. Das sind in mundgerechte Stücke geschnittene Fischfilets vom Kabeljau, Seehecht oder Seelachs. Diese werden mit Backteig überzogen, frittiert und in Greetsiel mit Remouladensauce angeboten.

Von Ostfriesland ins Emsland ist es nur ein Krabbenwurf und so haben wir auch der Meyer Werft in Papenburg einen Besuch abgestattet. Dort werden unter anderem auch die Kreuzfahrtschiffe der AIDA Cruises gebaut. Es war sehr beeindruckend zu erfahren, wie solche Riesen gefertigt werden. Der Durst nach diesem Besuch war dann ebenfalls riesig. Wir fuhren nach Leer. Bevor wir diese Stadt besichtigten, tranken Claudia und ich das „ostfriesische Nationalgetränk“, Ostfriesentee. Das ist eine spezielle Teemischung aus Schwarztee , die überwiegend aus Assamtee besteht. Den Ostfriesentee trinkt man jedoch nicht einfach, sondern das ist eine Zeremonie. Zuerst werden in die spezielle Ostfriesenteetasse Kluntjes (Kandiszucker) mit einer Zange gelegt. Der heiße Tee wird darüber gegossen und der Kluntje knackt deutlich hörbar. Anschließend wird ein Löffel Sahne am Rand der Tasse eingefüllt. Die Sahne sinkt in den Tee und schwebt in kleinen Wölkchen Wieder nach oben. Ob der Tee umgerührt wird oder nicht, daran scheiden sich die Geister. Aber wenn er umgerührt wird, dann gegen den Uhrzeigersinn. Denn so, behaupten die Ostfriesen, bleibt die Zeit stehen, während der Tee genossen wird.

Die Woche war ruckzuck vorbei. Dafür, dass wir eine Kulturreise machten, habe ich doch so einiges Kulinarisches aus Ostfriesland mitbekommen. Es gibt natürlich noch vieles mehr in diesem schönen Landstrich, was den Gaumen erfreuen kann und irgendwann werde ich dort vielleicht nochmals hinreisen. dann wieder in der ältesten Kneipe in Aurich, „Zur ewigen Lampe“ sitzen und eine Bohntjesopp, tja, was eigentlich – essen oder trinken?

BohntjesoppBildquelle I.W.Wolff GmbH & Co. KG: Original Ostfriesentopf „Bohntjesopp“

Bohntjesopp entsteht aus Rosinen, die mit Läuterzucker aus Kluntje, Ostfreeske Brannwien (weinbrandähnliche Spirituose) für einige Wochen in einem Steinzeug-Gefäß angesetzt werden. Serviert wird die Bohntjesopp in einer Brannwienskopjes (Miniaturteetasse) mit einem Teelöffel, der Anteil Rosinen zu Ostfreeske Brannwien hält sich die Waage.

Bevor wir jetzt Ostfriesland endgültig verlassen, bekocht uns Otto mit einer Friesen-Suppe.

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